Elis Kirche – Hannas Kirche

Erbauliche Betrachtungen in Zeiten des Abbaus von Pfr. Burkard Hotz

>> PDF-Download

Eine facettenreiche und hoch interessante Geschichte erzählt uns die Heilige Schrift am Beginn des 1. Samuelbuchs in den Kapiteln 1 – 4. Sie wird uns in ihrer Anschau- lichkeit zum prophetischen Gleichnis für die aktuelle Lage in den beiden großen Kir- chen Deutschlands, besonders aber in meiner Evangelischen Kirche.

1) Samuel, das in langen Zeiten der Kinderlosigkeit so sehnsüchtig erbetene Kind, wird von seiner Mutter Hanna – so wie sie es Gott in einem Gelübde versprochen hat – schon als Kind zu dem alten Priester Eli ans Heiligtum in Silo gebracht zur priester- lich –prophetischen Ausbildung. Dort am Heiligtum bewältigen das operative Priestergeschäft bereits die Söhne von Eli, nämlich Hofni und Pinhas, die in heiliger Sukzession allerdings in unheiliger Praxis ihrem Vater gefolgt sind. Eli ist nun über die Ausbildung des jungen Samuel hinaus der Seniorpastor von Silo, der mit geistlicher Weisheit die Oberaufsicht am Heiligtum innehaben soll aber leider darin folgenschwer versagt.

Diese Geschichte wird nun erstaunlicher Weise damit eröffnet, das gesagt wird: „Und zu der Zeit, als der Knabe Samuel dem HERRN diente unter Eli, war des HERRN Wort selten und es gab kaum noch Offenbarung“ (1. Samuel 3, 1).

Das ist keine gute Nachricht für einen, der in das priesterlich-prophetische Leben vor und mit Gott eingewiesen und eingeweiht werden soll. Dabei müssen wir uns das Schockierende dieser protokollarisch-nüchternen Beschreibung deutlich machen! Da gibt es ein ausgewiesenes göttlich bestätigtes Heiligtum, in dem der geistliche Schatz des Volkes Gottes aufbewahrt wird, die Bundeslade mit den Ge- botstafeln, das machtvolle Bundeszeichen vom Sinai mit der lebendigen Erinnerung und Vergegenwärtigung der großen Taten Gottes, die das Volk zum lebendigen und dankbaren Gehorsam verpflichten. Da gibt es einen traditionsreichen und erfahrenen Priester mit seiner priesterlichen Familie. Da gibt es reiche Opfer, die dargebracht werden. Und da gibt es jetzt das Gelübde einer frommen Mutter mit einem ernsthaf- ten Knaben, der für den priesterlichen Dienst am Heiligtum bestimmt ist und der mit ehrlichem Herzen Gott dem HERRN dienen will.

Dennoch heißt es mit beißendem Realismus: Des HERRN Wort war selten und es gab kaum noch Offenbarung! Ist es nicht zum Verzweifeln!? Also der rituelle Be- trieb in Silo ist am Laufen und scheinbar intakt. Die Pilgerfahrten werden gemacht, die Gottesdienste werden gefeiert, die Opfer werden dargebracht, das professionelle theologische Personal ist da, und doch gibt es keine Offenbarung, gibt es kein Reden Gottes. Gottes Wort ist selten, es ist kaum noch zu vernehmen, es ist zur fremden ja unbekannten und damit nicht mehr hörbaren Stimme geworden. Aber das alles be- kümmert keinen, es gibt kein Erschrecken, der religiös-routinierte Betrieb im Heiligtum läuft! Der Himmel ist stumm und keiner der priesterlichen Profis merkt es, ja keinen bekümmert es!

Es gibt kein Reden Gottes mehr, das die Menschen trifft, das sie anrührt und zur Buße ruft, das ihr Leben verändert und neu auf den lebendigen Gott und Sein Wort ausrichtet, und in Silo vermissen sie nichts! Ihr Leben läuft doch, die Einnahmen auch, und Gottes Wort ist nicht sehr interessant. Man braucht Sein Gebot nicht mehr. Die Großen Taten Gottes sind vergessen und sie rufen bei möglicher Erwähnung nur gelangweiltes Schulterzucken hervor: ach, was soll dieser alte Kram!? So verläuft, ja verirrt sich mitten im Heiligtum, mitten in Elis Kirche, die Geschichte der Treue Gottes in Bedeutungs – und Ahnungslosigkeit.

2) Wir schauen also auf einen religiösen Betrieb am Heiligtum in Silo, der im Zentrum einer wachsenden geistlichen Wüste der Gottesferne abgefeiert wird. Und genau da- ran hat man sich als Selbstverständlichkeit gewöhnt. Die Gottesdienste werden zwar noch in bunten Liturgien und Paraden zelebriert aber inmitten einer generellen Be -ziehungsarmut und wachsenden Distanz zu Gott, die gerade durch diese Gottes- dienste noch größer wird; Gottesdienste, die ohne heilige Hingabe, ohne inneres Feuer, ohne Bereitschaft zur Umkehr, ohne Erwartung auf Gottes lebendige Gegen- wart ablaufen. Ja es gibt eine kirchliche Betriebsamkeit, die gegen Gottes Wort und Seine Offenbarungen immunisiert. Ja es gibt Gottesdienste, die in ihrer ideologischen Selbstverliebtheit die Menschen gegen Gott und Sein Reden verschließen. Ja es gibt eine religiöse Betriebsamkeit, in der sich der moralische Mensch mit fraglosem Selbstbewusstsein an Gottes Stelle setzt und sich selber zelebriert. Wie grotesk und verdreht, da würde man ja besser keine Gottesdienste feiern!

Dieses Heiligtum in Silo, das in geistlicher Leere, in institutioneller Überheblichkeit und in religiöser Selbstverliebtheit sich selbst präsentiert, das wird uns zu Elis Kirche. Sie ist gefangen und verstockt in ihrer Abwehr gegen den Lebendigen Gott. Sie schiebt ganz bewusst als Kirche das Gebot Gottes in selbstverständlicher und routinierter Professionalität in den von ihr relativierten Hintergrund. Sie hält zwar noch die Fassade der christlichen Kirche aufrecht, präsentiert aber faktisch sich selbst und ihre selbst gebastelten Glaubens- und Lebensdeutungen im öffentlichen Schaufenster und im Einklang mit der Gesellschaft.

Diese Kirche – nimmt man sie näher wahr, erscheint sie als institutionelle Blase langweiliger Geschäftigkeit – hat schon lange die lebendige und lebensverändernde Beziehung zur Heiligen Schrift gekappt. Denn Gottes Wort wird von dieser Kirche selbst entmächtigt und herabgestuft in die Unverbindlichkeit einer religiösen Meinung unter vielen. Nein, Gottes Wort, das scharf ist wie ein zweischneidiges Schwert, das das reinigende Feuer des Heiligen Geistes entfacht, das im Herzen der Menschen die Schlacke der Sünde aus dem Gold der Liebe herauslöst; nein, Gottes Wort, Grundlage für Glauben und Leben der Christen und der Kirche; nein, Gottes Wort, das wir zu hören und dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu ge- horchen haben, kommt in der selbstverliebten kirchlichen Geschäftigkeit schon länger nicht mehr vor. Es wäre auch nur ein ärgerlicher Störfaktor. Diese von der göttlichen Wahrheit los gelöste und mit intensiver Propaganda sich selbst repräsen- tierende und empfehlende Kirche, dasist Elis Kirche. Und wahrhaftig: Hier ist Gottes Wort selten geworden und es gibt kaum noch göttliche Offenbarungen.

3) Zum Verständnis von Elis Kirche gehört allerdings wesentlich auch der Blick auf das hauptamtliche pastorale Personal. Von ihm heißt es: Doch die Söhne Elis fragten nichts nach dem HERRN noch danach, was dem Priester zustände vom Volk (1. Samuel 2, 12+13). Wieder fällt der neutral-distanzierte Protokollstil auf, in dem dieses katastrophale Verhalten des hauptamtlichen pastoralen Personals berichtet wird und damit der unaufhaltsame Verfall des Heiligtums.

O, Elis Söhne haben ihre eigene priesterlich-pastorale Agenda, für die sie in der Tat den HERRN weder fragen müssen noch brauchen! Ihre priesterliche Agenda ist kon- sequent auf ihre eigenen Interessen zugeschnitten. Heißt es im Johannesevangeli- um (3, 30) von der Qualität der Beziehung des Johannes des Täufers zu Jesus:Ich muss abnehmen, ER aber muss zunehmen, so ist die priesterliche Agenda der Eli-Kirche gerade umgekehrt: Wir müssen zunehmen, ER aber darf ruhig abnehmen, denn wo Jesus im Mittelpunkt steht, gibt es doch nur Probleme, z.B. im interreligiö- sen Dialog. Da halten wir uns lieber an den neutralisierten und allseits anschlussfähi- gen ‚guten Gott‘. Jesus darf man getrost zum Propheten herunterstufen. Überhaupt ist in Elis Kirche der kirchlich-religiöse Überbau nur insofern von Bedeutung, dass er institutionell die eigene priesterlich-pastorale Agenda absichert. Wo sich aber geist- liche Leiter erst einmal ihren eigenen Interessen ausgeliefert haben, verlieren sie jede Vollmacht, jedes göttliche Mandat und werden beliebig steuer- und instrumentalisierbar.

4) Das wird passgenau anschaulich im Umgang der beiden Priester Hofni und Pinhas mit der Bundeslade. Als dem Volk im Kampf gegen die Philister das Wasser bis zum Halse steht, haben die politischen Führer und das Volk plötzlich den grandiosen Einfall, dass die Bundeslade ins Heerlager geholt werden muss; denn jetzt wird heiliger Beistand zur Vermeidung der Niederlage unbedingt gebraucht. Man eilt also nach Silo und holt ohne Hemmungen die Lade des Bundes des HERRN Zebaoth, der über den Cherubim thront(1. Samuel 4, 4), aus dem Heiligtum bringt sie rasch und mit großem Getöse, sodass sogar die Erde erdröhnt, ins Heerlager Israels. Donnerwetter, was die Kirche Elis an öffentlich anerkanntem Spektakel doch noch hinkriegt! Jetzt muss der gerechte Sieg über die Philister auf jeden Fall gelingen, ja die Kirche Elis garantiert in aller Öffentlichkeit den göttlichen Beistand der guten Sache! Und zugleich erfährt diese Kirche eine atemberaubende gesellschaftliche Aufwertung, wo sie doch ihr Allerheiligstes dem Heerlager des ideologischen Kampfes hemmungslos zur Verfügung stellt. Dabei wäre es fraglos die heilige Pflicht der Priester Hofni und Pinhas und natürlich auch Elis gewesen, diesem gewaltsa- men Missbrauch der Heiligkeit Gottes zu widerstehen, sie hätten das Heiligtum des HERRN gegen den politisch-militärischen Zugriff des ideologischen Mainstreams verteidigen müssen. Doch diese unheiligen Pastoren waren – weil ohne jede geistli- che Vollmacht – Figuren ohne Widerspruch und Widerstand, ja noch mehr, sie wa- ren dienstbeflissene Erfüllungsgehilfen dieser völlig durchsichtigen die Ehre und Heiligkeit Gottes missachtenden Instrumentalisierung des Heiligsten der Kir- che, des Wortes Gottes und Seiner Gebote!

Nun kommt es, wie es kommen muss, denn der HERR mag es nicht und macht nicht mit, wenn wir IHN strategisch in unsere Interessen einbauen: Israel wird vernich- tend geschlagen, die Lade Gottes wird zur Beute der Philister, die Kirchenleitung mit ihren Chef-Feldpredigern Hofni und Pinhas kommt um, und der alte Seniorpastor Eli, der in seiner Schwäche seine Söhne nicht vom Missbrauch des Priesteramts abhalten konnte, obwohl er von ihrem schändlichen Verhalten wusste, stürzt vom Stuhl, als er diese schlimmen Nachrichten erfährt, und bricht sich das Knick. Das ist vom äußeren Anblick her das furchtbar spektakuläre und von der inneren geistlichen Logik her gesehen das erschreckend banale Ende der Kirche Elis: Absturz – Knickbruch!

5) Sie ist untergegangen an ihrer arroganten Unwilligkeit auf Gottes Wort zu hören und wo sie das Hören nicht vermeiden konnte an ihrer selbstverliebten Weigerung die- sem Wort Gottes gehorsam zu sein. Sie ist untergegangen an ihrer penetranten Wei- gerung, die ausdauernde Warnung des Heiligen Geistes ernst zu nehmen: Heute, wenn ihr Seine Stimme hören werdet, so verstocket eure Herzen nicht (Hebräer 3, 7+8) Sie ist untergegangen an ihrer gesellschaftlichen Anpassung und an der poli- tischen Instrumentalisierung ihrer Botschaft, durch den Ausverkauf, ja den Verrat des Heiligen an den gesellschaftlichen Mainstream. Gott hat an Elis Kirche Sein Gericht vollzogen.

Ihr spektakulär-banaler Untergang ist das aktuelle Menetekel für die beiden großen Kirchen in Deutschland. Denn auch sie bringen ihr Allerheiligstes in biederer Hemmungslosigkeit ins gesellschaftliche Heerlager und propagieren als religiöse Ramschware das Narrativ der Weltenrettung durch die Guten. So stehen sie im politisch-ideologischen Kampf auf der richtigen Seite: Auf der Seite des Lichtes im Kampf gegen die Finsternis, am liebsten natürlich die Finsternis von Rechts. In dieser ideologischen Instrumentalisierung des Evangeliums, die zur politischen Aufladung und damit zur geistlichen Entleerung der kirchlichen Verkündigung führt, erfahrenen die beiden großen Kirchen das bebende Getöse der gesellschaftlich-medialen Wertschätzung und damit das kurze Heil des eigenen Überlebens.

Doch diese Rechnung wird nicht aufgehen. Eine Kirche, die dem Evangelium die Kraft der Wahrheit raubt, weil sie „die Gestalt ihrer Botschaft und ihrer Ordnung ihrem Belieben oder dem Wechsel der jeweils herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugungen überlässt“ (Barmer Bekenntnis, These 3), ver- dirbt sich selbst und verliert jede geistliche Vollmacht. Die angepasste und gesell- schaftskonform gehaltene Kirche Elis, die ihre eigene Offenbarungs- und Vollmachts- losigkeit zur Normalität erklärt, ja fast noch stolz darauf ist, weil sie dann leichter in eigener Regie schalten und walten kann, wird gerade von denen vom Hof gejagt werden, um deren Anerkennung sie so eifrig buhlt; auch wenn sie in eilfertiger Unterwürfigkeit alles, was sie hat, in deren Heerlager des politisch-ideologischen Kampfes trägt.

Das ist tragisch, tragisch wie der Sturz des alten und schweren Eli, der im tödlichen Knickbruch endet, zwar gänzlich folgerichtig aber dennoch tragisch. Denn Eli ist ein geistlicher Leiter, der noch um seine göttliche Berufung weiß, aber der zu schwach ist und zu angepasst, zu ängstlich und zu hoffnungslos, um sie in lebendigem und mutigem und eben auch widerständigem Gottvertrauen zu leben. Er scheitert, nicht zuletzt an seinen Söhnen – also an der nächsten sich radikalisierenden Gene- ration – und stürzt das ganze Heiligtum in den Niedergang.

Unsere Kirchen haben starke journalistische Fähigkeiten entwickelt, diese eigene Zu- kunftslosigkeit zu verharmlosen, umzudeuten und keck zur Normalität zu erklären. So heißt es locker unter der Überschrift: „Welche Zukunft hat das Christentum? Die Kirchen verlieren ihre Mitglieder, wie es scheint immer rasanter“. Und nun kommt die gebetsmühlenhafte und abgebrühte pastoral-professionelle Beruhigung: „Doch das ist kein Grund für Panik“ (Chrismon 7 / 2019). Mit den Worten einer bekannten Klima- aktivisten dagegen rufe ich: Ich möchte, dass ihr, ja dass wir Panik bekommen, dass wir wirklich erschrecken! Das ist nichts zum Aussitzen! Denn hier treten nicht einfach Leute aus der Kirche aus. Nein, was hier geschieht, das ist das sichtbare Gericht Gottes über den Ungehorsam und den politischen Götzendienst Seiner verstockten und hochmütigen Kirche.

6) Aber es gibt in der Heiligen Schrift am Beginn des 1. Samuelbuches noch eine zweite ganz andere Kirche zu entdecken. Sie teilt zwar mit der Kirche Elis das Heiligtum von Silo, doch sie scheint wie verborgen unter der institutionell tonangebenden und zu- gleich rasant verfallenden Kirche, die wie gesagt die wahren Dimensionen und Ursa- chen ihres Verfalls propagandistisch-professionell wegrationalisiert. Diese andere Entdeckung ist markiert durch Hanna und danach durch ihren Sohn Samuel. Wir nennen sie darum die Kirche Hannas und Samuels. Sie ist der verheißungsvolle Bote des neuen Lichts. Wie der Morgenstern kündet sie hoffnungsvoll den nahen- den Tag mitten in der Nacht des Untergangs der Kirche Elis.

Diese Kirche Hannas erwächst erstaunlicher Weise aus der schmerzhaften Erfahrung des ausbleibenden Segens und der eigenen Unfruchtbarkeit. Genau diese Erfahrung ist es, die Hanna zur ‚betrübten Frau‘ (1. Samuel 1, 15) macht, weil sie den ausbleibenden Segen nicht einfach akzeptiert. Ganz anders als Elis Kirche, die sich mit ihrem eigenen Verfall arrangiert, schließt sie keinen Frieden mit der eige- nen Unfruchtbarkeit und Segenslosigkeit, sie arrangiert sich nicht mit dem Verlust der Zukunft. Ganz anders als die medialen Funktionäre der Kirche Elis redet sie ihre Not nicht schön, sie deutet sie nicht um, so als wäre sie normal. Hanna leidet, sie akzep- tiert nicht ihre Zukunftslosigkeit, nein, sie geht mit ihrem ganzen Kummer, mit ihrem Schmerz ins Gebet. Sie wirft ihr bekümmertes Herz Gott entgegen. Sie geht zum Heiligtum nach Silo. Sie sucht in ihrem Schmerz über ihre Unfruchtbarkeit und in der Not über den ausbleibenden Segen in ihrem Leben die Gegenwart, die Heiligkeit und die Barmherzigkeit Gottes.

Hannas Leid wird ihr so zum Antrieb, sich ganz und hemmungslos dem heili- gen Gott anzuvertrauen. Sie ist eine von Herzen betrübte Frau, sie betet zum HERRN und weint sehr. Wie bewegend ist es doch zu sehen, dass sich Hanna nicht mit ihrer Segens- und Zukunftslosigkeit abfindet und eben schulterzuckend den toten religiösen Betrieb in Silo mitmacht: Es ist halt so. Nein, Hanna nimmt das Heiligtum als Ort der Gegenwart und der Hilfe Gottes ernst, viel ernster als das hauptamtli- che pastorale Personal. Sie erwartet etwas, ja nicht nur etwas, sie erwartet alles von Gott. Sie betet lange und intensiv und erbittet Sein heiliges Eingreifen. Sie liegt vor dem HERRN mit ihrem Gebet und vertraut nicht auf ihre eigene Gerechtigkeit sondern auf Gottes große Barmherzigkeit(nach Daniel 9, 18). Und so legt sie vor Gott das Gelübde ab, wenn ER ihre Unfruchtbarkeit beendet, dann wird sie ihr Kind, das der HERR ihr schenkt, IHM wiederum in besonderer Weise zur Verfügung stellen.

7) Hanna betet am selben Heiligtum wie die Kirche Elis – also mitten in einer Religion des Verfalls, die sich zwar noch pompös darstellt und in der der kirchliche Betrieb die Auflösung kaschiert – doch sie erlebt den göttlichen Umkehrschub des echten Glaubens! Hanna lebt das vom Heiligen Geist geschenkte Vertrauen der wahren Kirche, die sich in ihrer Not des ausbleibenden Segens und der offensichtlichen eigenen Unfruchtbarkeit ganz Jesus Christus anvertraut, Sein Wort ernst nimmt und Seinem einladenden Heilands-Ruf (Matthäus 11, 28 und 1. Mose 12, 1 – 3) mit ehrlichem und dankbarem Herzen gehorsam ist: Kommt her zu MIR alle, die ihr mühselig und beladen seid, alle, die ihr unfruchtbar und ohne Segen seid, ICH will euch erquicken, ICH will euch fruchtbar machen und ICH will euch segnen und für viele zum Segen setzen“.

Das ist die Kirche der Hanna, die Niedergang als tiefen Schmerz und als existenzi- elle Not empfindet, denn es ist doch immer noch die Kirche des HERRN, die hier vor die Hunde geht. Es ist doch Seine Kirche. Ihr hat ER Sein Wort und Sein Sakra- ment anvertraut. Sie trägt Seine Namen, Seine Signatur in die Welt. „Sie ist das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen“? (Matthäus 5, 13)Sie ist das Rettungsboot, das die Verlorenen sammelt. Wie kann es sein, dass das Rettungsbott niemand mehr rettet, weil es selber untergeht!? Dieser Schmerz über den Niedergang und Untergang der Kirche, der nicht durch kluge sozi- ologische und abgehobene theologische Analysen zugekleistert und schön geredet wird, sondern der wirklich durchlitten wird, der als Gericht des HERRN über seine treulose und ungehorsame Kirche wahrgenommen und anerkannt wird, dieser Schmerz treibt die Kirche der Hanna in die Arme des Lebendigen Gottes. So betet sie mit den Worten (nach Daniel 9, 4ff) der Schrift: Wir haben gesündigt, wir haben Unrecht getan, wir sind gottlos gewesen und abtrünnig geworden; wir sind von Deinen Geboten und Rechten abgewichen, darum trifft uns auch Dein Gericht.“

Die Kirche der Hanna ist eine in ihrem Schmerz betende, sich zu Gott hin austrek- kende Kirche. Ja im Gebet folgt sie dem Ruf Jesu in die Nachfolge, auch wenn hier erst der Schmerz über die Sünde richtig zum Vorschein kommt. Indem sie betet ist sie eine vom Herzen her gehorsame Kirche. Im Gehorsam erkennt sie die Wahr- heit. Aus dem Zweispalt des Gewissens und der Sünde trifft sie der Ruf Jesu zur Einfalt des Gehorsams (nach Bonhoeffer, Nachfolge, DBW 4, S. 67 + S. 84ff). Dieser Wahrheit der Gnade Gottes wirft sich die Kirche Hannas hemmungslos in die Arme und zugleich sagt sie ja zur Wahrheit des Gerichtes Gottes über das eigene Haus. Sie distanziert sich nicht vom Ungehorsam und der Treulosigkeit der Kirche Elis, ja sie stellt sich bewusst unter dieses Gericht. Sie nimmt es an. Was die Kirche Elis verweigert, weil sie es ablehnt, sich als Sünderin zu erkennen, das trägt die Kir- che Hannas, sie trägt es in Jesu Namen und in Seiner Nachfolge.

Aber genau hier geschieht besagter Umkehrschub. Wo die Kirche Elis in die Trost- losigkeit des Untergangs, in die Kultur des Todes und folgerichtig in den tödlichen Knickbruch hinein läuft, denn sie bleibt als ungehorsame in der Unwahrheit, da erlebt die demütige Kirche der Hanna das Wunder des neuen Lebens, den Sieg über Un- fruchtbarkeit und Tod im Geheimnis der Buße und des Gehorsams. Das Leben lockt und die Zukunft lacht: Hanna wird schwanger, Samuel wird geboren und Hanna erfüllt ihr Gelübde.

Wir halten fest: Die Kirche der Hanna ist eine betende Kirche, die sich in ihrem Schmerz nach Gottes Gnade ausstreckt und die sich in ihrer Unfruchtbarkeit IHM in die Arme wirft. Und sie ist in ihrer Dankbarkeit und Freude eine starke und voll- mächtige Beterin im Lobpreis, die sich mit ganzem Herzendem Gott Israels und gemeinsam mit Maria im Lobpreis dem Vater unseres HERRN Jesus entgegen- streckt:„Meine Seele erhebt den HERRN, Mein Herz ist fröhlich und mein Haupt ist erhöht in dem HERRN, denn der Bogen der Starken ist zerbrochen und die Schwachen sind umgürtet mit Stärke“(1. Samuel 2, 1+4 und Lukas 1, 46ff). Hannas Kirche ist eine in der Treue zu dem Dreieinigen Gott betende Kirche.

8) Doch wir werfen noch einen wichtigen Blick auf Samuel, Hannas Sohn (1. Samuel Kap. 3), der jetzt beim alten Seniorpastor Eli in der Lehre ist. Hier setzt sich nun die Segens-Linie der Hanna fort, die bei Eli und seiner Kirche dagegen zu einer Linie des Fluches wird, denn mit Samuel verändert sich Lage am Heiligtum grundlegend. War bis jetzt das Wort des HERRN selten und gab es kaum noch Offenbarung, eben weil die Priester verstockt und das Volk verführt sind, so geschieht von nun an Neues: Der HERR ist nicht stumm, nein ER redet, weil ER die vertrauensvolle Beziehung zu uns will und auf offene Herzen wartet. Der HERR ruft. Sogar viermal in einer Nacht. Dreimal verstehen es Eli und Samuel falsch, noch sind sie gefangen von der bisherigen Erfahrung, dass es kaum noch Offenbarung gibt: Samuel hört Gottes Rufen und meint es wäre Eli, der nebenan schläft. Und Eli meint, Samuel habe nur geträumt. Sie sind beide gefangen, ganz besonders natürlich der erfahrene Seniorpastor Eli, in ihren falschen gottlosen Deutungen. Doch nach dem dritten Mal zerbricht die Blockade der Taubheit. Eli findet zu geistlicher Einsicht. (1. Samuel 3, 8 ff) und er weist den Knaben ein und sagt ihm: Geh wieder hin und lege dich schlafen und wenn du wieder gerufen wirst, so sprich: Rede, HERR, denn Dein Knecht hört. Als nun der HERR den Samuel erneut ruft, ist Samuel gehorsam und stellt sich bedingungslos diesem Ruf Gottes: Rede HERR, denn dein Knecht hört!

Gott redet mit Samuel und offenbart Sein kommendes Gericht über die Kirche Elis. „ICH will Elis Haus endgültig richten um der Schuld willen, dass Eli um die Schandtaten seiner Söhne wußte und ihnen nicht gewehrt hat“ (1. Samuel 3, 13).Es ist ein wirklich hartes Wort, das der junge Samuel als erste göttliche Offen- barung hören muss. Er hat sich das sicher anders gewünscht, denn er hört ja das definitive göttliche Gerichtswort über seinen ‚Chef‘ und seine priesterlich-pastorale Familie! Es ist ja recht verstanden ein zweifaches Gerichtswort über die Kirchen- leitung, die zum einen mit Hofni und Pinhas das Heiligtum den eigenen Interessen unterordnet und damit bewusst zerstört und die zum anderen mit dem erfahrenen Seniorpastor Eli nichts gegen die Zerstörung des Heiligtums tut, obwohl sie es genau sieht!

Samuel, der gerade beginnt dem HERRN zu dienen, stellt sich nicht nur dem göttli- chen Ruf, hört und erträgt nicht nur, was der HERR ihm sagt, das allein ist ja schon gewaltig, nein er gibt es auch – gewiss mit Furcht und Zittern – wahrheitsgemäß und ungeschönt an Eli weiter, der natürlich hören und wissen will, was der HERR in der Nacht zu seinem Schüler Samuel gesagt hat.

9) Wir halten fest: Die Kirche Hannas und Samuels ist nicht nur die in ehrlicher Klage, in demütiger Buße und im freudigen Lobpreis betende, sich Gott in die Arme werfende Kirche. Sie ist auch die auf Gottes Wort hörende Kirche; und sie ist die Kirche, die wahrheitsgemäß also ohne Hinzufügung und ohne Weglassung vor aller Welt das Wort bezeugt, das der HERR ihr sagt, ganz gleich, ob es ihr angenehm ist oder nicht und ob es die Menschen, die es hören, erfreut oder empört.

Wir halten fest: Die Kirche Hannas stellt sich in Jesu Namen demütig unter das Gericht Gottes an ihr selbst und an der Kirche Elis, dem sich diese aber hochmütig verweigert. Und indem Hannas Kirche dies tut, erlebt sie die Gnade, dass sie der HERR wie durchs Feuer durch dieses Gericht hindurch einer neuen Zukunft, einer neuen Freiheit und einem neuen Segen entgegenführt.

Wir halten fest: Die Kirche Hannas und Samuels lebt im Gehorsam die Treue zu dem Wort des Heilands ihre durch den Heiligen Geist erneuerte Berufung, so wie es Je- sus selbst sagt: Wenn ihr bleiben werdet an Meinem Wort, so seid ihr wahrhaf- tig Meine Kirche. Und weil Ihr gegen allen menschlichen und kirchlichen Opportunismus Meinem Wort gehorsam seid auch bei Ablehnung und Anfein- dung, so erkennt ihr die Wahrheit, und sie ist es, die euch frei macht (nach Joh. 8, 31 + 32).Zu dieser Freiheit gehört dann auch die konsequente Bereitschaft, sich immer wieder Schritt für Schritt vom falschen Geist der der Eli Kirche unabhängig zu machen und missionarische Wege der Erneuerung zu gehen. Doch wahrscheinlich wird vorher schon die Eli Kirche von sich aus versuchen, die Hanna und Samuel Kirche aus ihrem Haus und ihren eigenen Reihen zu vertreiben. Dennoch wird die Kirche Hannas nicht aufhören, für die Kirche Elis zu beten.

10) So wie Mose am Ende seines Lebens seinem Volk Leben und Tod, Segen und Fluch vorlegt (5. Mose 30), damit sie das Leben wählen, indem sie Gott die Treue halten und Sein Wort hören und tun, so sind auch wir heute aufgefordert das Leben zu wäh- len und nicht den Tod. Elis Kirche verliert das Heiligtum, weil sie Gottes Wort verloren hat. Dies führt zum trostlosen Knickbruch des Untergangs, und so bringt die Kirche Elis den Tod, den sie schon seit über vier Jahrzehnten durch eine Kultur des Todes befördert. Diese Kultur des Todes ist an vielen Stellen in unserer evange- lischen Kirche offen und sichtbar zerstörerisch am Werk.

Allein Hannas und Samuels Kirche mit ihrem einfältigen und vertrauensvollen Gehorsam zur Heiligen Schrift und damit zum HERRN der Kirche bringt das Leben und eröffnet Zukunft. „Es gibt auch heute die heilige Kirche, die unzerstör- bar ist. Es gibt auch heute demütig glaubende, leidende und liebende Menschen, in den der wirkliche Gott, der liebende Gott sich uns zeigt. Gott hat auch heute seine Zeugen – seine ‚martyres‘ – in der Welt.“ (Aus dem Text von Papst em. Benedikt zum Missbrauch in der Kath. Kirche, April 2019) Für diese Kirche entscheidet euch, wählt Hoffnung und Zukunft! Habt den Mut, in dieser Kirche der Hanna und des Samuel eure Nachfolge zu leben auch mitten in der Kirche Elis. Das wird zu Konflikten führen. Doch seid zuversichtlich und gewiss, gerade hier ist Jesus, der HERR der Kirche, durch Seinen Geist euch besonders nahe und lehrt euch die richtigen Entscheidungen und segnet die notwendigen Scheidungen.

Darum Kirche der Hanna und des Samuel, sei erkennbar

  • an der unverwüstlichen Freude an Gottes Wort, es zu hören und es zu tun und natürlich diese Freude mit anderen zu teilen,
  • an der robusten Treue im Gebet, der ersten Antwort auf Sein Wort; und am Mut zu alldem Nein zu sagen, was dem Wort Gottes widerspricht.

Sei daran erkennbar,

  • dass Jesus Christus dein HERR ist, der dir konkurrenzlos wichtig ist und für den du als Sein Zeuge auch bereit bist, einen hohen Preis zu zahlen.
  • Dass Du in liebevoller Treue an der Seite Israels stehst, damit zusammenwächst, was zusammen gehört.

Und wenn dich Angst befällt, dass die Welt, die Gott ablehnt und Jesus bekämpft doch stärker ist, und du mit der hochmütigen und doch innerlich so kraftlosen Kirche Elis in Niedergang und Gericht verschlungen wirst, dann schaue auf die beiden auf- gerichteten Banner der Kirche Hannas und Samuels. Das eine Banner ruft dir die Glaubensparole zu: „Halte dich in jeder Not felsenfest daran: Mein Vater hilft mir. ER trägt mich durch“ (Mutter Basileia, Die Leuchtkraft des Kreuzes, S. 40ff, Marienschwesternschaft, Darmstadt 2004).

Und auf dem anderen Banner entdeckst du die Botschaft: „Unsere Freiheit wurde durch den Tod des Sohnes Gottes teuer erkauft. Niemand kann uns in neue Fesseln schlagen, denn Gottes Sohn ist auferstanden. Lasst uns der Welt antworten, wenn sie uns furchtsam machen will: Eure Herren gehen, unser HERR aber kommt!“ (Gustav Heinemann bei der Schlusskundgebung des 2. Deutschen Evangelischen Kirchentags Essen 1950).