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Dr. Hans-Gerd Krabbe
Martinstraße 9
77855 Achern
April 2016
›Offener Brief‹ an die Badische Landessynode und Kirchenleitung
Nach der Entscheidung der badischen Landessynode vom 23. April 2016
zur sogenannten ›Homo-Trauung‹:
Fragen über Fragen (!)
Man mag zur badischen Synodalentscheidung nun stehen, wie man will: ob befürwortend oder ablehnend, das sei einmal dahingestellt – aber nach der Entscheidung zur ›Homo-Trauung‹ im Sinne einer ›Kann-Bestimmung‹ ergeben sich etliche Fragen mit erheblichem Gewicht!
Vorweg: Hätten diese Fragen nicht allesamt im Vorfeld der Synode bereits geklärt werden müssen? Hätten diese Fragen den Synodalen mit entsprechenden Antworten und Klar-stellungen hinsichtlich der Konsequenzen nicht bereits im Vorhinein offengelegt werden müssen / also bevor die Synodalen zu einem Beschluss-Vorschlag mit ihrer Entscheidung aufgefordert wurden? Und: Hätte das Gebot zur Transparenz wie zur Argumentation und zur Entscheidungshilfe für alle Synodalen diese Klärungen nicht vorweg geradezu erfordert? Und: Hätte ein munterer Synodaler aufgrund solch gravierender Formfehler im Vorfeld der Synodaltagung den Tagesordnungspunkt der ›Homo-Trauung‹ nicht sogar mit dem Antrag auf Vertagung konfrontieren müssen und können?
Wie dem auch sei, stehen nunmehr folgende Fragen im Raum:
⦁ Was bedeutet diese Entscheidung für das protestantische Grundprinzip ›sola scriptura‹, wo doch das biblische Zeugnis Alten wie Neuen Testaments keinerlei positive Würdigung der Homosexualität zulässt, im Gegenteil? Gilt die Bibel noch als Richtschnur allen kirchlichen Handelns? Wer entscheidet mit welcher (geistlichen?) Autorität, was in der Kirche (noch) gilt?
⦁ Warum wurden Kirchengemeinden und Bezirkssynoden in diesen Entscheidungs-prozess nicht mit einbezogen – geht es doch um Lebensordnungsfragen und um die Verabschiedung einer neuen Trau-Agende?
⦁ Wenn der Synodal-Beschluss ab sofort gilt: nach welchem Formular welcher Trau-Agende sollen die Pfarrerinnen und Pfarrer jetzt vorgehen?
⦁ Welche Konsequenzen löst diese Entscheidung aus in den ökumenischen Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche (man beachte die jüngste Verlautbarung des Papstes zu ›Ehe und Familie‹, Titel: »Amoris laetitia«), zu den orthodoxen Kirchen, zur Judenheit? Mit welchem Recht und mit welcher ›ökumenischen Rücksichtnahme‹
⦁ werden römisch-katholische Homosexuelle nun eingeladen zur evangelischen ›Homo-Trauung‹?
⦁ Bisher wird nach geltendem staatlichen Recht unterschieden zwischen einer Ehe zwischen Mann und Frau und einer homosexuellen Lebenspartnerschaft: Mit welcher Begründung verlässt die Badische Landeskirche diesen Konsens und führt vorauseilend die allgemeine Trauung ein, gleich, ob es sich dabei um ein Ehepaar im herkömmlichen Sinne handelt oder um ein Homo-Paar?
⦁ Wenn dafür die apostrophierte ›Liebe Jesu‹ herhalten muss: muss dann nicht alles Denkbare und Mögliche verschiedenster Lebensformen schlussendlich gutgeheißen und unter den vermeintlichen ›Segen Gottes‹ gestellt werden (können/müssen)? Wo und wie wollte dann noch eine nachvollziehbare Grenzlinie gezogen und vertreten werden (können)?
⦁ Wenn Pfarrerinnen und Pfarrer aus Glaubens- und Gewissensgründen wie aufgrund ihrer Ordinationsverpflichtung eine sogenannte ›Homo-Trauung‹ ablehnen müssen und dabei von ihrem ›Kanzelrecht‹ Gebrauch machen: muss dann der Dekan bzw. die Dekanin selbst die Trauung vornehmen oder einen Pfarrkollegen damit beauftragen, wohlgemerkt aber in einer anderen Kirche als der des ›pastors loci‹?
⦁ Welche Entscheidungskompetenz obliegt den Ältestenkreisen und den Kirchen-gemeinderäten in der Frage gottesdienstlicher Gestaltung nach Art. 16,3, Ziff. 5.6 der Grundordnung (›GO‹)? Wie definiert sich deren »Mitverantwortung«? – Und: Wie wird zu befinden sein, wenn sich ein Ältestenkreis gegen die ›Homo-Trauung‹ ausspricht, der übergeordnete Kirchengemeinderat einer Stadt aber dafür?
⦁ Wie wird die Aufgabe der Bezirkssynode beurteilt, dafür zu sorgen, dass innerhalb des Kirchenbezirks die kirchlichen Lebensordnungen »möglichst einheitlich« angewendet werden (Art. 38,2, Ziff. 6 der Grundordnung)? Und: Wann wird ein eigener ›Homo-Zusatz‹ zur bisher gültigen Lebensordnung ›Trauung‹ verabschiedet, werden die Bezirkssynoden diesbezüglich konsultiert werden?
⦁ Wenn bisher entgegen bis dato (22.04.2016) geltendem Kirchengesetz sogenannte ›Homo-Trauungen in Kirchen stattgefunden haben: mit welcher Begründung sollen diese ›Homo-Trauungen‹ (auf einmal) nachträglich (!) im Kirchenbuch ›Trauung‹ eingetragen werden können/müssen – zumal zum Jahresschluss mit eigenem Pfarrer-Eintrag die jeweiligen Kasualien eines jeden Jahres separat ›abgeschlossen‹ werden (müssen)?
⦁ Ist für die Entscheidungsfindung ausreichend berücksichtigt worden, dass die nun ermöglichte ›Homo-Trauung‹ an der Basis der Gemeinden für Irritationen sorgt, Kirchenaustritte provoziert, ehrenamtlich Mitarbeitende brüskiert und zur inneren Emigration kirchlich Mitarbeitender beiträgt? Dass diese Entscheidung also ›kirchenschädigend‹ wirkt und einen Glaubwürdigkeitsverlust von Kirche in der Gesellschaft (und nicht zuletzt im ökumenischen Kontext) befördert?
Um den dienstlichen Anforderungen in der Gemeinde vor Ort gerecht werden zu können, braucht es alsbald überzeugende, allseits verbindliche (Er-) Klärungen!
Mit freundlichem Gruß!