Eingabe an die Landessynode 03|SEP|2018

Eingabe an die Landessynode der Evangelischen Landeskirche in Baden im Oktober 2018
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Betr.: Rücknahme des Gesprächspapiers „Christen und Muslime“, Juli 2018, 1. Auflage
Antrag: Die Landessynode möge beschließen: Das Gesprächspapier (zu einer theologischen Wegbestimmung der Evangelischen Landeskirche in Baden) „Christen und Muslime“, Juli 2018, 1. Auflage, wird zurückgenommen. Es kann unserer Landeskirche nicht als Grundlage für den christlich-muslimischen Dialog dienen.

Begründungen:

1. Die Landessynode hat das Vorgängerpapier zu diesem Gesprächspapier nicht akzeptiert und zur Überarbeitung an den EOK zurückgegeben. Leider hat sie sich nicht dazu entschließen können, auch das überarbeitete Papier auf seine fachlich-theologischen Qualitäten oder auf seine Vereinbarkeit mit den Grundlagen der Landeskirche, mit Schrift und Bekenntnis (vgl. Vorspruch der Grundordnung der Evangelischen Landeskirche in Baden) zu überprüfen. So ist nun ein Papier im Umlauf geraten, das aufgrund seiner fragwürdigen theologischen Grundannahmen, aufgrund seines von Wunschvorstellungen geprägten Islam-Bilds und seiner selbstsäkularisierenden Tendenzen eher dazu geeignet ist, Verwirrung und Ablehnung bei engagierten Gläubigen zu erzeugen, nicht aber dazu, einen echten Dialog mit den Muslimen aufzunehmen.

2. Bezeichnend für das Papier ist das Eingeständnis auf S.15, dass „die Sunna, vor allem die Überlieferungen zum Leben Mohammeds (Hadithe) nicht thematisiert werden.“ Wie kann man denn über den Islam reden wollen und dabei die neben dem Koran wichtigste und für islamisches Recht und Theologie maßgebende Quelle einfach auslassen? Könnte man denn bei dem Versuch, den christlichen Glauben zu verstehen, das Alte Testament ( mit beispielsweise Schöpfung, Sündenfall, Exodus, Zehn Geboten, Psalmen oder Propheten ) auch einfach „nicht thematisieren“, seine Inhalte einfach ignorieren ??

Bei einer solchen Vorgehensweise – ohne die Möglichkeit der Korrektur durch die Fakten – ist es dann kaum verwunderlich, dass sich die Autoren einen Wunsch-Islam zurechtgedacht haben, der mit dem realen kaum noch etwas zu tun hat. Und diese Verzerrung hat Methode: viele der problematischen Verhaltensweisen, die manche Muslime praktizieren, werden nicht dem Islam zugeschrieben: Terror findet nur im N a m e n des Islam statt (S.7), die diskriminierende Geschlechterhierarchie im Islam ist kulturell bestimmt und nur religiös legitimiert (S.32), Anweisungen zur Tötung der Ungläubigen scheinen vor allem historisch-zeitbedingt zu sein (S.38), die negative Haltung der Muslime zur Religionsfreiheit ist historisch, von der Sozialordnung her bestimmt (S.40; wobei unterschlagen wird, dass Sure 2,256 –„Kein Zwang ist in der Religion“ – in der islamischen Tradition ganz unterschiedlich interpretiert wird: – z.B. dass man niemanden zur Religion zwingen kann; vor allem aber: die meisten Islamgelehrten halten diese Sure für abrogiert, also für durch spätere Aussagen überholt), das Kopftuch und die Religionsbestimmung bei der Kindererziehung durch den Mann ist eine Sache des Patriarchats, nicht etwa des islamischen Glaubens (S.57/58) und – in unserem Land besonders gravierend (S.59): der islamische Antisemitismus ist vorgeblich politisch verursacht und aus Europa importiert, die Hauptgefahr ist – glaubt man dem Text – nicht die in Koran und Sunna begründete (und bei vielen muslimischen Gläubigen selbstverständliche) Judenfeindlichkeit, sondern ihre „Etikettierung als ‚muslimischer Antisemitismus‘ “ aufgrund von Islamfeindlichkeit! Diese Beschönigungen und Verharmlosungen – auch und gerade die letzte (man bedenke dazu nur die iranischen Pläne zur Zerstörung Israels – wie sollte man die wohl „etikettieren“?) – sollte die Synode (auch im Blick auf Artikel 3 unserer badischen Grundordnung und in Anbetracht unserer Geschichte!) dazu veranlassen, dieses Papier nicht weiter zu verbreiten.

3. Der ausgeprägte Wunsch nach einer bestimmten Art von Dialog (die, entgegen den Beteuerungen auf S.14, gerade Mission im jesuanischen Sinne ausschließt, weil sie grundlegende Inhalte des Evangeliums, des Rettungsangebots an alle Menschen, auch an die Muslime, zugunsten dialogischer Wahrheitsfindung oder zugunsten der Aufgabe jeglichen Wahrheitsanspruchs preisgibt) und das Ignorieren großer Teile der islamischen Grundlagentexte verbinden sich zu einer Herangehensweise an Bibel und Koran (und an die Wirklichkeit in Ländern, in denen der Islam herrscht), die zu gravierenden Auslassungen führt – scheinbar Störendes wie Kreuz und Auferstehung, Heiliger Geist, Rechtfertigung aus Glauben statt islamische Gesetzlichkeit, aber auch Verfolgung und Diskriminierung von Christen durch ihren „dhimmi“-Status oder bei Konversionen wird verschwiegen, Grenzen der Menschenrechte durch die Scharia, Unterdrückung auch der muslimischen Bevölkerung dort, wo islamische Regierungen herrschen, Polygamie, islamische Homosexuellenfeindlichkeit, Akzeptanz von grausamen Körperstrafen und der Todesstrafe, von Beschneidung und Schächten usw., all das fehlt, scheint für die Autoren nicht zu existieren. Es kommt zu erstaunlichen Verdrehungen (der Koran, gesehen vom Islam als Mischung aus Menschen- und Gotteswort, gar offenbart im Dialog !, S.19), zu eklatanten Umdeutungen (Jesus wird angeblich im Koran als Messias gesehen – was in den Versen zuvor, die nicht zitiert werden, bestritten wird; auch verkündet eben dieser Messias Jesus die Anweisung zur Beachtung von zwei der Säulen des Islam (S.26f), wie auch die vielen andern christlichen Figuren – etwa Abraham oder die Jünger – im Koran dort gerade keine Christen sind, sondern Muslime und explizit Allah verehren) und Verkürzungen wie beim Gottesbild (22f): Paulus wird zitiert damit, dass wir Gott jetzt noch nicht vollständig erkennen können. So soll belegt werden, dass Christen über ihren Gott nichts Genaues aussagen können, dass es hier keine klare Wahrheit gibt – ER könnte dann ja auch keinen Sohn haben, nicht dreieinig sein, könnte sein wie Allah. Nur war sich derselbe Paulus bei allen wichtigen Glaubensinhalten immer sicher, dass sie wahr sind, er hat sogar diejenigen verflucht, die eine andere Wahrheit – ein anderes Evangelium – verkündigen (Gal 1,6-9) (und: verflucht der Koran nicht ebenso Juden und Christen, die angeblich die wahre Offenbarung verfälscht hätten?)


Sogar der Wahrheitsbegriff, die Erkennbarkeit von Glaubenswahrheiten, muss dem Wunsch nach Dialog weichen. Christen haben nur begrenzte Kenntnis von ihrem Gott (so S.24) –weshalb sie in einem „ Inklusivismus der Gegenseitigkeit“ auf Muslime angewiesen sind, IHN zu erkennen (S.13): die wahre Gotteserkenntnis des Islam (dort also gibt es sie noch, im Christentum anscheinend nicht mehr) ist nicht einfach nur dort gegeben, „wo sie unseren Glaubensüberzeugungen entspricht, sondern sie kann gerade auch in dem bestehen, was uns fremd ist und unseren eigenen Glaubensüberzeugungen widerspricht.“ Das Andere, die Wahrheit des Islam, „wird durchaus auch vertiefende oder korrigierende Funktion annehmen können im Blick auf das ‚Eigene‘.“ (S.13) Um diese Behauptung noch einmal klar und deutlich auszusprechen: Christen kennen ihren Gott nicht wirklich – aber sie können ihn kennenlernen, wenn sie muslimische Gotteserkenntnis aufnehmen!
Auch hier ist die Synode aufgerufen, zu verhindern, dass solche Aussagen als Botschaften Gottes oder der Kirche verbreitet werden.

4. Grundiert und getragen ist das theologische Konzept dieses Papiers von dem Bemühen, das Zusammenleben in unserer Gesellschaft durch Förderung der Verständigung der Religionen untereinander zu ermöglichen (S.4). Religionsfreiheit gilt als Mittel zum friedlichen und gerechten Zusammenleben (S.5), interreligiöse Feiern dienen dem Ausdruck der Gemeinschaft (S.45), Muslime und Christen sind angeblich in unserer Gesellschaft miteinander unterwegs (S.10), bilden eine Weggemeinschaft zum Ziel einer Ökumene der versöhnten Verschiedenheit zur Ehre des einen Gottes – also unter dem Dach eines christlich-islamischen Einheitsglaubens! (S.16). Das gemeinsame Gespräch, die Zusammenarbeit gründet sich auf gemeinsame gesellschaftliche Verantwortung (S.10), Dialog ist nichts Eigenständiges mehr, er steht nunmehr im Dienst an unserem Gemeinwesen, im Dienst an einer „gelingenden gemeinsamen Zukunft in Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung.“ (S.61, ähnlich S.43). Auch die Kirche selbst sieht sich in dieser Rolle des zivilgesellschaftlichen Akteurs, dessen (anscheinend wichtigste) Aufgabe die Herstellung friedlichen Zusammenlebens ist (S.56). Dieses rein innerweltliche Verständnis von Glaube und Kirche wird begründet mit der theologischen Bejahung des religiös-weltanschaulichen Pluralismus, der interreligiöse und interkulturelle Bildung und Pluralitätsfähigkeit fordere; kulturelle und religiöse Vielfalt sei anzunehmen und zu bejahen (S.49 bzw. S. 48), es gehe darum, „sich in der Verschiedenheit kennen und akzeptieren zu lernen.“ (S.51)
Ja, andere Menschen anzunehmen, sie zu respektieren, sie zu lieben, friedlich mit ihnen zusammenzuleben, das ist Aufgabe der Christen in der Gesellschaft. Keinesfalls ihre Aufgabe ist aber die Annahme, die Akzeptanz, die Bejahung von un-oder antichristlichen Weltanschauungen (wie Atheismus, Rechts-oder Linkspopulismus, Kommunismus oder Faschismus) oder von anderen Religionen (auch nicht in einer interreligiösen Schein-Ökumene eines islamisch-christlichen Einheitsglaubens der sog. versöhnten Verschiedenheit), um damit innergesellschaftlichen Frieden (oder Gerechtigkeit oder Vielfalt oder…) zu schaffen. Das wäre (abgesehen davon, dass das Wort „Frieden“ oft nur dazu benutzt wird, Kritik zu unterbinden, Macht abzusichern, abgesehen auch von der Hybris, die darin besteht, zu glauben, man könne mit rein menschlichen Mitteln friedliche oder gerechte Zustände herstellen, gar auf Erden schon aus eigner Machtvollkommenheit das Reich Gottes erschaffen) nichts anderes als die Selbstaufgabe der Christen, wäre klassische Rousseau’sche Zivilreligion: der Glaube als Schmiermittel im Getriebe der Gesellschaft, als benutzbare Ressource zur allseitigen Verwendung im Dienste politisch oder gesellschaftlich vorgegebener fremder – oft nichtchristlicher, oft ideologischer oder machtbezogener – Ziele. Und da diese Nutzung unseres Glaubens für ihm fremde Ziele mit seinen echten unverfälschten Inhalten, mit der biblischen Offenbarung nicht zu praktizieren ist, müssen diese Inhalte – wie im vorliegenden Gesprächspapier – logischerweise dem Zweck angepasst und grundlegend verändert werden (der Islam erleidet in diesem Prozess übrigens dasselbe Schicksal).
Die Aufgabe der Christen ist: ihren Glauben zu leben, dessen Hauptziel, dessen Priorität das ewige Heil bei Gott ist und ihn allen, die noch ohne die Perspektive auf ewiges Zusammensein mit Gott leben, missionarisch anzubieten und dabei andere Weltanschauungen und Religionen zu tolerieren, sie nicht zu bekämpfen (Toleranz ist dabei geboten, aber sie ist etwas grundsätzlich anderes als Akzeptanz). Darin besteht der Dienst der Christen für das Zusammenleben der Gesellschaft, nicht aber darin, dieser Gesellschaft als Mittel zu dienen, ihre eigenen – dem christlichen Glauben oft fremden, weltlich definierten, zeitgeistbedingten oder dem Machterhalt dienenden – Ziele zu verfolgen.
Indem dem Glauben Funktionen für die Gesellschaft zugeschrieben werden und er seine Existenzberechtigung nur durch solches Funktionieren erhält, wird ihm seine existentielle Grundlage entzogen – er wird extrinsisch, fremdbestimmt, wird benutzt und damit langfristig zerstört.
Das Papier redet dieser Zerstörung – wenn auch nicht für jeden Leser gleich erkennbar, dafür aber umso wirksamer – das Wort und hat so eine selbstsäkularisierende Wirkung. Auch deshalb muss seine Verbreitung von der Synode verhindert werden.

Anmerkung: Die Kritik an diesem Gesprächspapier darf nicht verwechselt werden mit der Ablehnung des Dialogs mit Muslimen oder gar der Ablehnung muslimischer Menschen. Nicht jede Aussage in diesem Papier ist falsch. Aber die wenigen richtigen Aussagen, die es enthält, werden meist durch ihnen widersprechende Äußerungen konterkariert (haben also im Zweifelsfall keine wirkliche Geltung) und vor allem wird das Papier dominiert von äußerst problematischen glaubensverfälschenden und glaubenszerstörenden Behauptungen, denen viel zu wenig positive Glaubensinhalte gegenüberstehen.
„Wir haben durch Jesus Christus den Auftrag, unseren Glauben so zu bezeugen, dass auch andere in dieses Vertrauen auf Gott hineinfinden können“ – so das Gesprächspapier auf S.14. Dem ist zuzustimmen, allerdings mit der Einschränkung, dass genau dieses Ziel mit den Inhalten dieses Papiers auf keinen Fall verwirklicht werden kann. Nicht nur die Qualitätsmängel in Bezug auf theologische und islamkundliche Fachkompetenz sprechen für eine Rücknahme, sondern auch das im Gesprächspapier Dargestellte: Weder existiert der dort beschriebene Gesprächspartner Islam in der realen Welt (bis auf verschwindend geringe Ausnahmen) noch kann die in vorauseilender Anpassung (um die hier vertretene Auffassung von Dialog – die in evidentem Widerspruch zu dem steht, was christlichem Mission heißt – überhaupt möglich zu machen) praktizierte Aufgabe des Wahrheitsanspruchs christlichen Glaubens, die Verfälschung seiner Inhalte (und auch der des Islams) oder gar die selbstsäkularisierende Degradierung unseres Glaubens zu einer neuen Art von Zivilreligion eine Grundlage für wirklich dialogisch-missionarisches Handeln, für ein echtes Christus-Zeugnis im Dialog sein. Deshalb ist es für den christlich-islamischen Dialog die beste Lösung, dieses Papier zurückzunehmen und ein völlig neues zu schreiben.

3. September 2018

Horst Fix, Königsbach-Stein
Dieter Weingardt, Königsbach- Stein