An jedem Ort an jedem Sonntag? (die EKD und der Sonntagsgottesdienst)

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Angesichts dessen, dass nur drei bis vier Prozent aller evangelischen Kirchenglieder regelmäßig den Sonntagsgottesdienst aufsuchen — stellt sich innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland (›EKD‹) die Frage, ob auch zukünftig an jedem Sonntag an jedem Ort im Land ein Gottesdienst sein muss.

Aber — will sich die evangelische Kirche in Deutschland ihres Kerninhalts berauben, sich mehr und mehr von den sonntäglichen Gottesdiensten verabschieden, mit der Begründung, dass viel zu wenig Gottesdienstteilnehmer registriert werden? Dass sich der ganze Aufwand mit Personal- und Gebäude-, Betriebs- wie Unterhaltungskosten nicht lohnt? Wirtschaftlich also alles andere denn rentabel erscheint? Zum Ersten: Es mag Gottesdienstorte geben, wo die Zahl der Gottesdienstteilnehmer zu wünschen übrig lässt — Gott sei’s geklagt. Doch stimmt die weit verbreitete und stets neu zitierte ›Mär‹, wonach die Sonntagsgottesdienste generell und zwar überall in Stadt und Land denkbar schlecht besucht seien? So dass der ›kw-Vermerk‹ angebracht sei, heißt: ›kann wegfallen‹? — Es dürfte genügend überzeugende Gegenbeispiele geben, werden doch die meisten Gottesdienste stärker besucht, als ihr Ruf vermitteln will.


Zum Zweiten: Kirche Jesu Christi ist doch nicht abhängig von Quantität, also von (statistisch erhobenen) Zahlen (die man vorweisen kann), sondern von Qualität, heißt: von Gottes Heiligem Geist. Einmal unabhängig von konkreten Zahlen, es geht doch darum, dass sich Christen sammeln zu Wort, Gebet, Sakrament, Gotteslob, Segen —und seien es gemäß Matth. 18,20 auch nur zwei oder drei, die sich in Jesu Christi Namen zusammenfinden. Sie stehen unter der besonderen Verheißung der Gegenwart und der Wirksamkeit Gottes in Jesus Christus. Und diese großartige Verheißung sollte niemand gering achten (wollen).


Sollte die evangelische Kirche in Deutschland die sonntäglichen Gottesdienste an jedem Ort (sukzessive) aufgeben und stattdessen auf Zentralgottesdienste in Mittelpunktkirchen einer Region konzentrieren wollen, so wäre sie bereits dabei, sich selbst aufzugeben. Denn wozu bräuchte es dann schließlich noch Kirchen (es sei denn als Museen), theologische Fakultäten, Landeskirchen, Oberkirchenräte, Kirchenführer?
Kirche Jesu Christi könnte sich wie in Urzeiten in Form von Hauskirchen sammeln — wird das gewollt und angestrebt?

Dr. Hans-Gerd Krabbe
Achern
Der Artikel wurde veröffentlicht
• im »Deutschen Pfarrerblatt« (4/2020,243)
• in den »Badischen Pfarrvereinsblättern« (1/2020, 35)
• in der Zeitschrift »Zeitzeichen« (2/2020, 60)
• in »idea-spektrum« (1.04.2020, 33)
• in »Aufblick und Ausblick« (2(2020, 15)
• im Informationsdienst »Medrum« (31.03.2020)