Orientierungs- und Arbeitshilfe zum Gesprächspapier des EOK

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Zur Information und Orientierung

Eine Arbeitshilfe des BKB (vom 24. Sept. 2018) zum EOK-Gesprächspapier: Christen und Muslime (1. Juli 2018)

Viele werden weder Zeit noch Muße haben, den ganzen 63-seitigen Text „Christen und Muslime. Gesprächspapier zu einer theologischen Wegbestimmung der Evangelischen Landeskirche Baden“ zu lesen. Deshalb hat der Bekenntniskreis Baden (BKB) die grundlegenden Aussagen dieses Papiers mit kommentierenden Hinweisen zusammengefasst, um dem Informations- und Orientierungsbedürfnis aller am Dialog mit dem Islam Interessierten nachzukommen.

1. Das Bild von Islam und christlichem Glauben

Die Sunna, vor allem die Überlieferungen zum Leben Mohammeds (Hadithe), werden in diesem Papier nicht thematisiert (S.15). Entscheidende Teile islamischer Offenbarungstexte werden so einfach weggelassen. Das ist kein Zufall. Einige Beispiele zeigen, dass sowohl theologie-  als auch islamwissenschaftliche Standards nicht eingehalten werden. Es wird die Sure: „Kein Zwang ist in der Religion“, die durch spätere Suren aufgehoben wurde, so zitiert, als gälte sie noch (37/40) Auch wird die koranische Anerkennung Jesu als Messias betont –der allerdings dort muslimische Glaubensinhalte vertritt – aber seine Ablehnung ebendort als Messias wird unterschlagen (26). Oder es wird einfach die Einleitung eines Textteils, die sich an die Juden wendet, weggelassen, um so manipulativ die Friedfertigkeit des Islam zu beweisen (21). Es wird zitiert (34), dass die, die glauben – auch die Juden und Christen – erlöst werden, aber es wird unterschlagen, dass „glauben“ hier bedeutet: an Allah zu glauben! Des Öfteren (z.B. S.5) wird Richtiges eingefügt, aber sofort durch sein Gegenteil ersetzt oder in seiner Bedeutung nicht gewürdigt. Es werden Begriffe wie Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, Vergebung oder Menschenwürde als Gemeingut beider Religionen verwendet, ohne auch nur entfernt auf ihren je nach Religion ganz verschiedenen Inhalt einzugehen.

Ebenfalls weggelassen (oder erwähnt, jedoch in ihrer wahren Bedeutung gerade im Widerspruch zum Islam nicht diskutiert) werden wichtige Inhalte christlicher (und islamischer) Offenbarung: die Auferstehung Jesu Christi, der Sinn seines Kreuzestodes, Sünde, Gnade und Vergebung, der Heilige Geist, Rechtfertigung aus dem Glauben („ohne des Gesetzes Werke“) im Gegensatz zu islamischer Werkgerechtigkeit, die Geltung der Menschenrechte nur in den Grenzen der Scharia oder die dort vorgegebene Polygamie, grausame Körperstrafen, die Todesstrafe, die Erlaubnis zur Tötung von Konvertiten.

Nicht weggelassen, aber beschönigend verzerrt werden viele Inhalte, wo Kritik am Islam einsetzen müsste – verzerrt nach dem Motto: der Islam hat mit dem Islam nichts zu tun, er ist Opfer der Umstände oder fremder Mächte. Islamischen Terror gebe es nur „im Namen“ des Islam (7), der gute Kampf, den Paulus gekämpft hat (2.Tim 4,7 (nicht wie angegeben Vers 6!) wird identifiziert mit dem islamischen Dschihad (37). Christenverfolgung gebe es, weil der Islam politisch instrumentalisiert wird (14). Die „diskriminierende Geschlechterhierarchie“ (sprich: die Benachteiligung der Frau) beruht auf „kulturellen Praxen, die religiös legitimiert werden“, also nicht auf Glaubensinhalten (32). Anweisungen zur Tötung von Ungläubigen
scheinen vor allem historisch zeitbedingt zu sein (37f). Die negative Haltung der Muslime zur Religionsfreiheit scheint historisch, soziokulturell, von einer bestimmten Sozialordnung bestimmt zu sein (40). Kopftuch und Religionsbestimmung bei der Kindererziehung ist eine Sache des Patriarchats, nicht etwa des islamischen Glaubens (57/58). Und in unserem Land besonders gravierend: islamischer Antisemitismus ist vorgeblich politisch verursacht und ein Import aus Europa (59), die Hauptgefahr ist angeblich nicht die (in Koran und Sunna (!) begründete und bei vielen Muslimen selbstverständliche) Judenfeindlichkeit, sondern ihre „Etikettierung als ‚muslimischer Antisemitismus‘“ aufgrund von Islamfeindlichkeit (ebd). Man denke dabei nur an die iranischen Pläne zur Zerstörung Israels – wie sollte man diese wohl „etikettieren“?

Verdreht und umgedeutet werden auch theologische Inhalte. So wird der Koran von den Muslimen angeblich als Mischung von Gottes- und Menschenwort angesehen oder noch erstaunlicher: „Der Koran wurde diskursiv offenbart; er ist das Resultat von Dialog, Debatte, Argumentation, Annahme und Zurückweisung“ (19). Auch wenn das ein „islamischer
Theologe“ behauptet, wird die islamische Theologie diese Idee insgesamt zurückweisen: Mohammed habe mit dem Engel Gabriel darüber diskutiert, was in die Endfassung des Koran aufgenommen werden sollte. Die durchgehend betonte Hochschätzung christlicher Personen im Koran (Jesus, Maria 26, Noah, Abraham, Ismael, Isaak usw. – 18) unterschlägt, dass sich diese Personen im Koran dazu bekennen, dass Allah ihr Gott ist und dass er nur einer ist und keinen Sohn hat. Verfälscht wird auch das christliche Gottesbild (22f). Paulus wird damit zitiert, dass wir Gott jetzt noch nicht vollständig erkennen können. Das soll belegen, dass Christen über ihren Gott nichts Genaues aussagen können – so könnte ER dann ja auch keinen Sohn haben, nicht dreieinig sein, sondern sein wie Allah. Derselbe Paulus aber war sich bei allen wichtigen Glaubensaussagen darin stets gewiss, dass sie wahr sind, er hat sogar diejenigen verflucht, die eine andere Wahrheit, ein anderes Evangelium verkünden (Gal.1,6-9). Behauptet wird: Christen
haben eine begrenzte Kenntnis von ihrem Gott (10-13, 24) – weshalb sie in einem „Inklusivismus auf Gegenseitigkeit“ auf Muslime angewiesen sind, IHN richtig zu erkennen (13). Die wahre Gotteserkenntnis des Islam (dort gibt es sie noch, im christlichen Glauben nicht mehr?) ist nicht einfach nur dort gegeben „wo sie unseren Glaubensüberzeugungen entspricht, sondern sie kann gerade auch in dem bestehen, was uns fremd ist und unseren eigenen Glaubensüberzeugungen widerspricht.“ (13). Das Andere, die Wahrheit des Islam, „wird durchaus auch vertiefende oder korrigierende Funktion annehmen können im Blick auf das ‚Eigene‘“. (13). Behauptet wird hier: Christen haben keine vollständige Gotteserkenntnis, aber sie können IHN kennenlernen, wenn sie die wahre muslimische Gotteserkenntnis übernehmen, ihr eigener Glaube wird dadurch sogar tiefer, die bisher darin enthaltenen Irrtümer verschwinden dank islamischer Korrektur.

2. Warum das Ganze, warum diese Vorgehensweise ? – Ein Interpretationsversuch

Schon das nonchalante Eingeständnis, große Teile islamischer „Offenbarung“ einfach wegzulassen, noch mehr aber die eklatante Menge von inhaltlichen Fehlleistungen wie Verharmlosung, Verschweigen, Desinformation und Manipulation, Verdrehung, Verfälschung,
Verzerrung, Umdeutung, von wie Trostpflästerchen wirkenden Einschüben von Wahrheit, die sofort wieder zurückgenommen werden, von Richtigem, das erwähnt und dann in seiner islamkonträren Bedeutung wieder nicht beachtet wird: all das zeigt, wie die Verfasser jegliche wissenschaftlichen, sowohl theologischen als auch religionskundlichen Standards und Inhalte
außer Acht lassen. Ein Grund wird sein: Man will unbedingt „Dialog“ – aber nicht etwa, um in und mit ihm Zeugnis für den christlichen Glauben abzulegen, sondern um in der „Weggemeinschaft“ mit Muslimen den islamisch-christlichen Einheits- bzw. Gemeinschaftsglauben zu entwickeln, der das eine Ziel dieses Weges ist (16). Einfach vorausgesetzt wird, dass Muslime dabei mitziehen. Ein weiterer Grund mag darin liegen: Glaube und Kirche verlieren (so anscheinend die Ansicht der Verfasser) zunehmend ihre Eigenständigkeit, sie stehen bereits (ebenso wie der „Dialog“) im Dienste politisch- gesellschaftlicher und ideologischer Vorgaben (5,10, 16, 43,48, 49, 51, 56, 61), die sie zu befördern haben und dem  Anschein nach bereitwillig fördern. Dafür erscheinen die Dienste des Dialogs sinnvoll. Missionarische Ideen würden da nur stören, weil sie nicht – wie „der Dialog“ – von Wahrheits- Findung im Gespräch ausgehen, sondern vom Angebot rettender Wahrheit an die Muslime. Diese Art von Dialog aber ist dem real existierenden Islam von seinen eigenen historisch-
geistig-kulturellen Prämissen her verwehrt und insofern gar nicht möglich. Um dieses Dilemma zu überwinden, muss man sich einen Wunsch-Islam zurechtdenken und den christlichen Glauben diesem inhaltlich anpassen.

3. Schluss

Die Kritik an diesem Gesprächspapier darf nicht verwechselt werden mit der Ablehnung jedes Dialogs mit Muslimen oder gar mit der Ablehnung muslimischer Menschen. Der BKB stimmt zu, wenn es im EOK-Papier auf S.14 heißt: „Wir haben durch Jesus Christus den Auftrag, unseren Glauben so zu bezeugen, dass auch andere in dieses Vertrauen auf Gott
hineinfinden können“. Leider ist das EOK-Gesprächspapier aufgrund seiner Inhalte nicht dazu geeignet, diese Zielsetzung zu verwirklichen. Es kann keine Grundlage sein für dialogisch- missionarisches Handeln, für ein echtes Christus-Zeugnis im Dialog.

Deshalb ist es für den unerlässlichen christlich-islamischen Dialog die beste Lösung, dieses EOK-Papier zurückzunehmen und ein völlig neues zu verfassen.

In Ergänzung und zur Erläuterung der BKB-Position finden Sie hier einige aussagekräftige Zitate aus dem EOK-Papier,die der kritischen Diskussion bedürfen:

„Wir haben gute theologische Gründe, auch Anderen Wahrheit zuzutrauen.“ (4).
„Der Islam versteht sich grundsätzlich in der Linie der biblischen Prophetie.“ (4).

„Die Konvergenzen in zentralen Punkten begründen eine besondere jüdisch-christlich- islamische Dreierbeziehung.“ (8).

„Eine wertvolle Grundlage“, auf die sich „das gemeinsame Gespräch und die Zusammenarbeit gründet, „findet sich in der Erkenntnis gemeinsamer gesellschaftlicher Verantwortung.“ (10).

„Dieses positive Verständnis religiöser Verschiedenheit als solcher besteht nicht einfach nur in einer Wertschätzung dessen, was wir mit anderen gemeinsam haben. Im Blick auf den Islam bedeutet dies, dass die wahre Gotteserkenntnis des Islam nicht einfach nur dort gegeben ist, wo sie unseren Glaubensüberzeugungen entspricht, sondern sie kann gerade
auch in dem bestehen, was uns fremd ist und unseren eigenen Glaubensüberzeugungen widerspricht. ..Dieses ‚Andere‘ wird durchaus auch vertiefende oder korrigierende Funktion annehmen können im Blick auf das ‚Eigene‘. In gelingender Weggemeinschaft sind mithin die Wandernden bereit und willens, sich gegenseitig Wahrheit zu gönnen und sind alle Beteiligten wechselseitig Staunende und Lernende über die Offenbarungsschätze des bzw. der je Anderen.“ (13).

Das Ziel eines möglichen gemeinsamen Weges ist jedenfalls das gegenseitige Wertschätzen und Annehmen in einer…‘versöhnten Verschiedenheit‘ zur Ehre des einen Gottes und zum Wohl der ganzen Welt.“ (16).

»Der Koran wurde diskursiv offenbart; er ist das Resultat von Dialog, Debatte, Argumentation, Annahme und Zurückweisung« (Mouhanad Khorchide). (19).

»Wir verehren als Christen und Muslime den einen Gott, den wir als Christen als dreieinig bekennen und im Geheimnis der Dreieinigkeit verehren.« (22).

„Die Aussage der christlichen Trinitätslehre ist gewiss nicht numerisch zu verstehen.“ (24).

»Der christliche Glaube darf und soll die Hochschätzung Jesu im Koran wahrnehmen und darüber freudig staunen.« (27).

»Jesus und Mohammed können in je eigener Weise als zeichenhafte Vergegenwärtigung der Barmherzigkeit Gottes verstanden werden.« (28).

„Etliche zeitgenössische islamische Theologinnen und Theologen sehen durchaus die Gleichwertigkeit der Geschlechter im Koran begründet.“ (32).

»Für beide Religionen gibt es in den jeweiligen normativen Texten Züge einer gewalthaltigen Theologie, die sich auf Gott beruft.« (36).

»Wir verstehen unseren jeweiligen Glauben als Antwort auf den sich aussprechenden einen Gott, lassen uns im christlichen Glauben an den dreieinigen Gott dankbar erinnern an das unvergleichliche Einssein Gottes, staunen über die Hochschätzung der Person Jesu im Koran.« (41).

„Wir bekennen freudig unseren christlichen Glauben und finden Gottes Spuren in der Glaubensgeschichte des Islam. Im dankbaren Wahrnehmen der Begegnungsgeschichte Gottes auch im Glauben der Muslime nehmen wir teil an der ‚Mission Gottes‘ unter seinen Menschen…“ (41).

„Das Zugestehen-Können von Wahrheit über die eigene Glaubensgemeinschaft hinaus wird sich zu erweisen und zu bewähren haben in den zentralen Lebensräumen der Kirche und ihrer Gläubigen im Dialog mit Menschen muslimischen Glaubens: in Gottesdienst, Unterweisung, Seelsorge und Diakonie.“ (42).

»Dankbar erkennen wir im Glauben der Musliminnen und Muslime heilvolle Spuren Gottes.« (42).

Die Chance einer interreligiösen Feier liegt darin, dass sie „den Willen der Beteiligten zur Gemeinschaft zum Ausdruck bringt und öffentlich darstellt.“ (45).

„Wo solche Fragen (zur gemeinsamen Gestaltung von Feiern, Anm. d. Verf.) mit der vollen Aufmerksamkeit und Sorgfalt aller Beteiligten im Blick bleiben, sollten weitere mutige Schritte (sic!) auf dem Weg zu gottesdienstlicher Gemeinschaft zwischen Christen und Christinnen, Musliminnen und Muslimen versucht werden.“ (46).

Die Kirchen „haben sich seit einigen Jahren für die Möglichkeit eines
Religionsunterrichtsangebots für Muslime und Aleviten ausgesprochen. Sie befürworten die Ausbildung von islamischen Religionslehrkräften an deutschen Hochschulen.“ (50).

„Als evangelische Kirche setzen wir uns dafür ein, dass muslimische Gemeinden würdevolle Moscheebauten errichten dürfen, weil dies dem in der Verfassung garantierten Recht auf ‚ungestörte‘ Religionsausübung‘ entspricht. Das schließt die klassischen Bauelemente Minarett und Kuppel ein.“ (50f).

„Weder im Unterricht noch beim Feiern oder bei gemeinsamen Fortbildungen geht es darum, die Unterschiede zwischen den jeweiligen Religionen zu nivellieren, sondern vielmehr sich in der Verschiedenheit kennen und akzeptieren zu lernen.“ (51).

„Als religiöses Symbol für die Zugehörigkeit zum Islam fällt das Tragen des Kopftuchs unter die Religionsfreiheit und ist als individuelles Recht zu schützen.“ (58).

„Die Studie versteht das christlich-islamische Gespräch als kirchlichen Auftrag, der letztlich im Dienst unseres Gemeinwesens und einer gelingenden gemeinsamen Zukunft …steht.“ (61).

Die EOK-Studie „geht aus von der biblisch gewonnenen Überzeugung, dass wir motiviert von unserer christlichen Glaubensüberzeugung uns an dem Glaubensweg der Muslime und Musliminnen freuen und ihnen freimütig Gottesnähe zugestehen dürfen.“ (61).

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• Diese Resolution wurde in der BKB-Zusammenkunft in Königsbach-Stein am 24. Sept. 2018 einstimmig beschlossen.

Für den Bekenntniskreis Baden:

Horst Fix, Königsbach-Stein

Dr. Hans-Gerd Krabbe,  Achern

Rolf-Alexander Thieke, Uhldingen am Bodensee